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Verjüngungskur und Skandal im Seniorenheim

Ich habe in einem Online Magazin eine witzige Überschrift gefunden: „Verjüngungskur im Seniorenheim“. Mit dem Thema beschäftige ich mich sowieso gerade ständig, denn meine Oma lebt seit einem Monat in einem solchen Objekt. Da horcht man als „Betroffene“ schon auf. Aber alle Achtung an den Journalisten, der versteht sein Handwerk. Der Artikel war so aufgebaut, dass der Leser bis zum Schluss einen Trugschluss aufsaß. Die Erwartung wurde geweckt, dass die Bewohner des Heims viel zu alt seien und dringend verjüngt werden mussten. Es wurden Überlegungen angestellt, welche Maßnahmen eingeleitet werden konnten, denn Fakt sei: Der hohe Grad an Alten, erschwert den Pflegern die Arbeit sehr. Es wurde schlussgefolgert, dass es kein Wunder sei, wenn unter diesen Bedingungen immer mehr Pflegekräfte zum Pflegefall werden.

Erst im letzten Satz stellte sich heraus, dass der Autor nicht die Bewohner anprangerte, sondern die räumlichen Bedingungen sowie das Inventar thematisierte. Des Autors Vater, an Demenz erkrankt, lebte in dem Heim. Er dokumentierte nicht nur den Verfall des Vaters, sondern auch der Zimmer. Die Bewohner wurden in Räumen gehalten, die teilweise nicht beheizbar waren, wo die Fenster nicht vollständig geschlossen werden konnten oder aber keine Privatsphäre herrschte, weil die Zimmertür vollverglast war, sich aber kein Plissee als Sichtschutz daran befand. Privatsphäre und Menschwürde, ade! 

Nachdem der Skandal publik gemacht worden ist, wurde das Heim nicht nur von einer Meute aus Journalisten überschwemmt, sondern auch von Handwerkern. Offensichtlich war es dem Betreiber schon peinlich. Die Journalisten verschwanden relativ schnell, als ein paar „skandalöse“ Bilder im Kasten waren. Die Handwerker blieben zum Glück ein Stück länger und stellten im Heim einen vorschriftsmäßigen Zustand her. Sprich, es gab unter anderem ein Pflegebad auf jeder Etage, Zentralheizung, Fahrstuhl und schön eingerichtete, gemütliche Bewohnerzimmer, die die Privatsphäre gewährleisteten. Es ist ja nicht zu viel verlangt, dass jedes Zimmer mit einer blickdichten Tür und freundlichen Faltstores in warmen Farbtönen an den Fenstern ausgestattet ist. Viele Unternehmen halfen dem Heim als sich herausstellte, dass es zum Betreiberwechsel kommt. So spendete eine regionale Plissee Firma mit Online Shop sämtliche Scheibengardinen. Viele andere Betriebe taten es gleich und schufen so einen schönen Neuanfang für Bewohner, Betreiber und Angestellte.

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